Unfrieden im Betrieb – Zulässige Versetzung des Arbeitnehmers oder nur Schikane?
Ein Arbeitgeber versetzte einen Arbeitnehmer durch einseitige Weisung vom ursprünglichen Arbeitsort Dortmund -für ein halbes Jahr- nach Berlin. Der Arbeitnehmer befolgte diese Weisung nicht. Der Arbeitgeber kündigte das Arbeitsverhältnis aufgrund der Weigerung des Arbeitnehmers nach mehrfacher Abmahnung.
Der Arbeitgeber hat grundsätzlich ein sog. Direktionsrecht (Weisungsrecht), kann hierdurch regelmäßig Arbeitsbedingungen wie z.B. Einsatzort, Arbeitsbeginn, Samstagsarbeit, also Inhalt, Ort und Zeit für die Erbringung der Arbeitsleistung einseitig festlegen.
Dieses Direktionsrecht darf der Arbeitgeber nur unter Einhaltung der geltendenden gesetzlichen Bestimmungen und auch vertraglichen (Individualarbeitsvertrag, Tarifvertrag) Vereinbarungen ausüben und er darf es nur „nach billigem Ermessen“ ausüben. Der Arbeitgeber darf sein Direktionsrecht also insbesondere nicht mißbrauchen um z.B. einen Arbeitnehmer „abzustrafen“ und hierdurch gefügig zu machen (oder um dies zu versuchen).
Die Senate des Bundesarbeitsgerichts vertreten teilweise eine unterschiedliche Rechtsauffassung, daher eine Anfrage des Zehnten Senates des Bundesarbeitsgerichtes an den Fünften Senat, die möglicherweise zu einer deutlichen Änderung der bisherigen Rechtsauffassung des BAG bzgl. des Weisungsrechts/ Direktionsrechtes des Arbeitgebers führt.
Hierzu die Pressemitteilung Nr. 25/17 des BAG:
„Versetzung – Verbindlichkeit einer unbilligen Weisung
Der Zehnte Senat möchte die Auffassung vertreten, dass der Arbeitnehmer im Anwendungsbereich des § 106 GewO* eine unbillige Weisung des Arbeitgebers auch dann nicht befolgen muss, wenn keine dementsprechende rechtskräftige Entscheidung der Gerichte für Arbeitssachen vorliegt. Damit weicht der Senat von der Rechtsprechung des Fünften Senats (22. Februar 2012 – 5 AZR 249/11 – Rn. 24, BAGE 141, 34) ab. Der Zehnte Senat fragt deshalb nach § 45 Abs. 3 Satz 1 ArbGG an, ob der Fünfte Senat an seiner Rechtsauffassung festhält.
Der Kläger ist seit dem Jahr 2001 bei der Beklagten bzw. deren Rechtsvorgängerin beschäftigt. Er war zuletzt als Immobilienkaufmann am Standort Dortmund eingesetzt. Zwischen den Parteien war im Jahre 2013/14 ein Kündigungsrechtsstreit anhängig, der zugunsten des Klägers ausging. Nachdem Mitarbeiter im März 2014 eine weitere Zusammenarbeit mit dem Kläger abgelehnt hatten, teilte die Beklagte ihm mit Schreiben vom 23. Februar 2015 mit, dass sie ihn für die Zeit vom 16. März bis zum 30. September 2015 am Standort Berlin einsetzen werde; eine Beschäftigungsmöglichkeit in Dortmund außerhalb dieses Teams bestehe nicht. Nachdem der Kläger seine Arbeit am Standort Berlin nicht aufgenommen hatte, mahnte ihn die Beklagte mit Schreiben vom 26. März 2015 ab. Im April erfolgte eine weitere Abmahnung. Mit Schreiben vom 28. Mai 2015 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis fristlos.
Mit der vorliegenden Klage möchte der Kläger ua. festgestellt wissen, dass er nicht verpflichtet war, der Weisung vom 23. Februar 2015 Folge zu leisten. Des Weiteren begehrt er die Entfernung der Abmahnungen aus seiner Personalakte. In einem weiteren Verfahren (- 2 AZR 329/16 -) wendet er sich gegen die Wirksamkeit der Kündigung. Arbeitsgericht und Landesarbeitsgericht haben der Klage stattgegeben.
Über die Revision der Beklagten kann noch nicht entschieden werden. Die Auffassung des Landesarbeitsgerichts, die Bestimmungen des Arbeitsvertrags der Parteien ließen zwar grundsätzlich eine Änderung des Arbeitsortes des Klägers zu, die Versetzung von Dortmund nach Berlin habe aber nicht billigem Ermessen entsprochen, ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Der Fünfte Senat hat allerdings die Auffassung vertreten, dass sich ein Arbeitnehmer über eine unbillige Weisung, die nicht aus anderen Gründen unwirksam sei, nicht hinwegsetzen dürfe, solange keine rechtskräftige gerichtliche Entscheidung vorliege, die deren Unwirksamkeit feststelle.
Der Zehnte Senat möchte hingegen die Auffassung vertreten, dass der Arbeitnehmer einer unbilligen Weisung des Arbeitgebers nicht – auch nicht vorläufig – folgen muss und fragt deshalb nach § 45 Abs. 3 Satz 1 ArbGG an, ob der Fünfte Senat an seiner Rechtsauffassung festhält.
Bundesarbeitsgericht
Beschluss vom 14. Juni 2017 – 10 AZR 330/16 –
Vorinstanz: Landesarbeitsgericht Hamm
Urteil vom 17. März 2016 – 17 Sa 1660/15 –
*§ 106 GewO lautet:
Weisungsrecht des Arbeitgebers
Der Arbeitgeber kann Inhalt, Ort und Zeit der Arbeitsleistung nach billigem Ermessen näher bestimmen, soweit diese Arbeitsbedingungen nicht durch den Arbeitsvertrag, Bestimmungen einer Betriebsvereinbarung, eines anwendbaren Tarifvertrags oder gesetzliche Vorschriften festgelegt sind. Dies gilt auch hinsichtlich der Ordnung und des Verhaltens der Arbeitnehmer im Betrieb. Bei der Ausübung des Ermessens hat der Arbeitgeber auch auf Behinderungen des Arbeitnehmers Rücksicht zu nehmen.“
Ende der Pressemitteilung
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